RUNDGANG DER NOT - Eine alternative Stadtführung der Young Caritas

von Öff. Gymnasium der Franziskaner Hall in Tirol
05. Dezember 2025

Am 2. Dezember ging die Klasse 6a gemeinsam mit einer ehrenamtlichen Caritasmitarbeiterin den „Rundgang der Not“. Dabei besuchten wir verschiedene Einrichtungen in Innsbruck, die Menschen helfen, die kein Zuhause haben, wenig Geld besitzen oder mit Suchtproblemen kämpfen.
Wir lernten, wie diese Stellen arbeiten, welche Unterstützung sie bieten und mit welchen Schwierigkeiten betroffene Menschen jeden Tag zu tun haben. Dieser Bericht fasst zusammen, was wir auf unserem Rundgang gesehen und erfahren haben.

Mentlvilla
Die Mentlvilla ist eine Notschlafstelle für obdachlose Menschen mit Suchterkrankungen. Bewohnerinnen und Bewohner können dort für maximal sechs Monate bleiben. Die Einrichtung arbeitet nach dem Konzept der akzeptierenden Drogenarbeit, was bedeutet, dass der Konsum von Substanzen nicht grundsätzlich verboten ist. Daher ist der Konsum im eigenen Zimmer erlaubt.

Insgesamt verfügt die Mentlvilla über 17 Zimmer, davon 12 für Männer und 5 für Frauen. Besonders bei Frauen tritt häufig sogenannte verdeckte Wohnungslosigkeit auf: Viele bleiben trotz häuslicher Gewalt in ihrem Haushalt, oftmals um ihre Kinder zu schützen oder weil sie keine andere Anlaufstelle haben. Dadurch bleibt ihre Situation im Hilfesystem oft unentdeckt. Der Aufenthalt in der Mentlvilla bietet ihnen einen geschützten Raum.

Die einzige (ausdrücklich) verbotene Droge ist Alkohol, da dieser nach Erfahrung der Einrichtung zu erhöhter Aggressivität führen kann. Bei Alkoholkonsum muss man die Einrichtung sofort verlassen. Konsumutensilien müssen entsorgt werden, um Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Zusätzlich wird ein Spritzentausch angeboten, um gesundheitliche Schäden durch unsachgemäßen Gebrauch von Injektionsmitteln zu reduzieren und damit keine Krankheiten wie HIV übertragen werden können.

CHILLOUT
CHILLOUT ist eine Einrichtung für Jugendliche im Alter von 12 bis 21 Jahren, die akut von Wohnungslosigkeit betroffen oder davon bedroht sind. Die Notschlafstelle verfügt über 10 Schlafplätze, wovon 3 Plätze für Jugendliche mit erhöhtem Schutzbedarf vorgesehen sind. Die Unterbringung erfolgt in geteilten Zimmern. Die Zimmer werden außerdem nicht nach Geschlechtern getrennt.

Neben der Notversorgung bietet CHILLOUT sozialarbeiterische Beratung und Unterstützung bei der Deckung grundlegender Bedürfnisse. Ziel ist es, die Jugendlichen zu stabilisieren und gemeinsam Perspektiven für ihre weitere Lebenssituation zu entwickeln. Offiziell ist der Aufenthalt auf drei Monate begrenzt, in der Praxis variiert die Aufenthaltsdauer jedoch stark. Jährlich werden dort 50–60 Aufenthalte verzeichnet sowie 300–400 Beratungsgespräche durchgeführt. Drogenkonsum ist in dieser Einrichtung nicht gestattet.

Tiroler Sozialmarkt
Der Tiroler Sozialmarkt ermöglicht Menschen mit geringem Einkommen den Erwerb von Lebensmitteln zu deutlich reduzierten Preisen. Voraussetzung für den Einkauf ist das Ausfüllen eines Antrags. Anschließend wird eine Berechtigungskarte ausgestellt. Einkaufsberechtigt sind Personen mit einem monatlichen Nettogehalt von maximal 800 Euro, Familien bis zu 1200 Euro.

Ein Einkauf ist ein- bis dreimal pro Woche möglich und auf einen Warenwert von 10–15 Euro begrenzt. Die angebotenen Produkte sind im Durchschnitt etwa 50 % günstiger als im regulären Handel. Sie stehen meist nahe am Verfallsdatum und weisen äußerlichen Schaden auf, wodurch sie für den normalen Supermarkt nicht mehr geeignet sind. Der Sozialmarkt bietet somit nicht nur materielle Unterstützung, sondern erleichtert den Betroffenen auch eine Teilnahme am gesellschaftlichen Alltag und stärkt das Gefühl von Selbstbestimmung.

Bahnhofsbereich
Der Bahnhof stellt trotz seiner Funktion als öffentlicher Raum einen umkämpften Ort für obdachlose Menschen dar. Sie sind dort in der Regel nicht erwünscht. Um Aufenthalte zu erschweren, kommen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz, darunter Videoüberwachung, verstärkte Sicherheitsdienste insbesondere in den Abendstunden sowie das Abspielen von Musik, um Schlafen zu verhindern. Zusätzlich werden Bänke mit Armlehnen installiert, die das Liegen unmöglich machen.

Gleichzeitig bietet der Bahnhof Schutz vor Wetter und Kälte und bleibt deshalb für viele Menschen ein wichtiger Zufluchtsort. Für soziale Einrichtungen dient er zudem als ein Ort der ersten Kontaktaufnahme mit Betroffenen.


Text und Fotos: Elena Malin, 6a